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Der verborgene Code
Die Vier Elemente im Tarotspiel der Renaissance
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Oben: Codierte Botschaft in Botticellis Primavera von 1487.
Wikimedia Commons
Ein Code – wofür ?
Zur Entstehungszeit des Original-Tarotspiels bedurfte es keiner Bücher oder Kurse, um die verborgenen Botschaften der Karten zu erforschen.
Die Verschlüsselungstechniken der Renaissance machten es möglich, das gesamte Spiel mit einem verborgenen Bezugssystem zu unterlegen, in welchem die Karten beginnen, sich gegenseitig zu erklären.
Die verschiedenen Techniken, die hier zum ersten Mal offengelegt und besprochen werden, verschaffen uns bisher ungeahnte Einblicke in die Philosophie und das geheime hermetische Weltbild der alten Tarot-Meister. Und obwohl die Karten ursprünglich nicht zum Wahrsagen gedacht waren, bietet das magische Quadrat der Vier Elemente auf der Karte XXI eine sichere Basis zur Erforschung aller erdenklicher Situationen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Lernen Sie hier zunächst die grundlegenden Gestaltungsgeheimnisse des Spiels kennen, damit Sie sich sicher durch beiden Seiten PHILOSOPHIE und KARTENLEGEN bewegen und bald zu eigenen Entdeckungen aufbrechen können.
Erster Einblick in das magische Quadrat auf die Tarotkarte XXI




















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Notizen vom Entdecker

Was Sie wissen sollten
Das Tarotsystem entstand in einer langen Tradition, Sprache zu erzeugen, indem aus stetiger Kombination weniger Bausteine immer neue Bedeutungen hervorgebracht werden.
Ähnlich, wie aus der Kombination immer derselben 12 Musiknoten ein kurzes Lied oder eine ganze Symphonie entsteht, läßt sich durch Kombination von Eigenschaften der Vier Elemente beim Kartenlegen rasch eine Frage beantworten; wir können damit aber auch das komplexe hermetische Weltbild erforschen.
Nun stellt sich die Frage, wie die Schöpfer des Systems es anstellten, philosophische Einsichten und Erkenntnisse in einem auf den ersten Blick eher simpel wirkenden Quadrat zu verschlüsseln.
Es ist nicht so, daß eine spezielle Code-Sprache erfunden werden mußte. Man bediente sich beliebter Techniken wie der Kunst der Anordnung (1), der Gegenüberstellung (2) und der hermetischen Lehre vom Zusammenspiel der Gegensätze (3).
Diese drei Techniken, die Sie im Folgenden kennenlernen sollen, stellten das Handwerkszeug einer diskreten Gemeinschaft spiritueller Freidenker dar, die sich vom 15. bis ins 17. Jahrhundert über ganz Europa verteilte.
Wie alles anfing
Ordnung und Erinnerung
Der erste Schritt beim Verschlüsseln beruhte auf der aus der Antike überlieferten Kunst der Erinnerung (ars memoriae): Worte und Symbole wurden wie Gegenstände in übersichtlicher Weise angeordnet, etwa wie ein Schreibtisch organisiert wird oder Werkzeug geordnet an der Wand hängt. Jedes Ding kommt an einen bestimmten Platz. Je einleuchtender die Anordnung, desto schneller erinnert man sich, was sich wo befindet und wozu es dient.


Die Kunst der Erinnerung schafft nicht nur Überblick,
aber auch raschen Zugriff für unterschiedliche Anwendungen.
Der zweite Schritt in der ‚Kunst der Erinnerung’ besteht nun darin, die einzelnen Plätze der Dinge miteinander in Beziehung zu setzen.
Seit langem wurde in der Tarotliteratur gemunkelt, daß nicht nur die einzelne Tarotkarte Informationen enthält. Entscheidende Merkmale und Aussagen einer Karte würden erst durch ihre Position innerhalb einer ausgeklügelten Gesamtstruktur zutage treten. Viele solcher Schlüssel-Anordnungen sind veröffentlicht worden. Keine hat sich durchsetzen können.
Lassen Sie uns zunächst ansehen, was es einst mit dem Anordnen auf sich hatte und was man damit alles anfangen konnte.
Das Amphitheater des antiken Wissens.
Eine der ersten Anwendungen der Kunst der Erinnerung.
Um 1530 erbaute der italienische Gelehrte Giulio Camillo im Auftrag des Königs von Frankreich ein großes hölzernes Amphitheater, in welchem das mythologische Erbe der Antike übersichtlich angeordnet war. Auf der Zeichnung ist jede der aufsteigenden Kolonnen einem der sieben Planeten zugeordnet. Zu den Planeten gesellten sich die Götter und deren Aufgaben. Der Besucher des Gedächtnis-Theaters war eingeladen, sinnvolle Querverbindungen zwischen den einzelnen Figuren zu ziehen, um aus der entstehenden ‘Kommunikation der Plätze’ neue Informationen zu gewinnen. Wie die Zuordnung der einzelnen Plätze zueinander genau funktionierte, läßt sich kaum noch rekonstruieren. Camillo hatte sein theatro unter strengster Geheimhaltung aufgebaut und nur der König selbst war in die Geheimnisse der Querbezüge eingeweiht.
Das Amphitheater war ein Pionierprojekt der Spracherzeugung, dessen Methode bald Schule machte und noch lange zum Speichern und Aufbereiten von Wissen angewandt wurde.

1997 präsentierte Adam McLean diese alchimistische Anweisungen zum Erzeugen des ‘Steins der Weisen’. Die elegante Anordnung der zwanzig Bild-Bausteine läßt den Eingeweihten in den oberen Reihen die Rezeptur für den roten Stein unterscheiden von der des weißen Steins in den unteren Reihen. Dank der Gegenüberstellung können die einzelnen Phasen in den beiden Reihenpaaren miteinander verglichen werden. Diese Möglichkeit wäre in einer einfachen linearen Aneinanderreihung der Bausteine nicht ohne weiteres erkennbar.
Aus Rosarium Philosophicum, 17. Jahrhundert Zitiert nach; www.levity.com/alchemy/roscom.html
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Notizen vom Entdecker

Was mir als erstes den Weg geebnet hat, in der Anordnung der vier Figuren auf der Karte XXI über die aufschlußreiche Bildsprache hinaus ein dynamisches Funktionsmodell zu vermuten, war meine im Rahmen einer Kinesiologie-Ausbildung gemachte Bekanntschaft mit dem wichtigsten Instrument zur Anwendung der Fünf-Elemente-Lehre Chinas.
Auf dieser Grafik von Wikipedia sind die fünf chinesischen Elemente in einem fünfzackigen Stern dargestellt.
In dieser Anordnung verbergen sich nicht weniger als vier Funktions-Zyklen: Die Elemente können einander ernähren, schwächen, kontrollieren oder überwältigen.
Die Art des jeweiligen Zusammenspiels zwischen zwei Elementen läßt sich ermitteln, indem man den Verbindungen im Kreis und im Stern folgt. Ernähren tun sich die Elemente im Uhrzeigersinn, andersherum schwächen sie einander. Kontrollieren und Überwältigen findet auf den auf den Linien des Sterns statt.
Hier zwei Beispiele von Wikipedia:
Fördern
Holz lässt Feuer brennen. |
Schwächen Feuer verbraucht Holz, |
https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf-Elemente-Lehre
Die enorme Anwendungsvielfalt des Sterns kommt daher, daß die vier einfachen Verbindungswege auf einen Blick sämtliche Gesetzmäßigkeiten veranschaulichen, nach denen die energetische Balance eines Systems geregelt wird. Ihre Kenntnis erlaubt, alle Arten von Mängeln auszugleichen und gefährlichen Ungleichgewichten zuvorzukommen. Das nährende, schwächende, kontrollierende oder überwältigende Zusammenspiel wird seit Jahrhunderten von der traditionellen chinesischen Medizin, der Akupunktur, Shiatsu, Kinesiologie, bis hin zu den Kampfkünsten und zur Kochkunst auf immer gleiche Weise analysiert und angewendet. Wir haben den Stern in der Ausbildung sogar um den Bauchnabel herum ‘projiziert’ und konnten an seinen fünf Punkten zuverlässig die Über- und Unterenergie im Meridian-System des ganzen Körpers messen.
Von solcher Einsicht geleitet begann ich, jenes alte europäische Elemente-Modell, das wohl nicht von ungefähr auf der höchsten Tarotkarte verborgen worden war, auf entsprechende Kreuz- und Querbezüge abzutasten. Und tatsächlich kehren die Gesetze seines Aufbaus auch im Gesamtbau des Tarot-Systems wieder.
Bevor wir uns also den Bedeutungen einzelner Karten zuwenden können, ist es – wie im 5-zackigen Stern der Chinesen – nützlich wenn nicht zwingend, die Gesetzmäßigkeiten des Elemente-Quadrates zu verstehen und anwenden zu können. Wappnen Sie sich daher mit etwas Geduld. Sie werden nicht mit 3 Clicks zur Bedeutung der einzelnen Karten kommen. Viel besser: Sie lernen lange erprobte Verfahren kennen, die Ihnen erlauben, sämtliche über das Tarotspiel gemachten Aussagen nachzuprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Am Ende werden Sie nicht nur Ihr eigenes umfassendes Tarot-Wörterbuch in Händen halten, aber auch tiefen Einblick in ein kleines philosophisches Wunderwerk aus alter Zeit gewonnen haben.

In dieser kleinen lateinisch angeschrieben alchimistischen Elemente-Matrix von etwa 1500 verbergen sich andere Spannungsverhältnisse als im chinesischen Elemente-Stern. Doch bringt auch hier die spezielle Anordnung der Elemente ungeheuer praktische Funktionen hervor.
Modelle dieser Art dienten einst dazu, brauchbare Kombinationen bei der Veredelung von Metallen zu finden und Korrespondenzen zwischen Krankheiten und Heilmitteln zu bestimmen.
Das 1. Geheimnis
Die platonische Reihe der Vier Elemente
Die platonische Sequenz der Vier Elemente stellte den Höhepunkt eines abenteuerlichen antiken Forschungsprojektes dar, in dem mehrere Generationen griechischer Naturphilosophen lange vor unserer Zeitrechnung dem Geheimnis der Weltschöpfung auf die Spur zu kommen suchten. Die geheimnisvollen Kräfte, über die sie nachdachten, nannten sie Feuer, Wasser, Luft und Erde.
Platon ist es zu verdanken, daß die Elemente in einer einfach nachvollziehbaren Reihenfolge gesehen werden können, die vom unfaßbar Feinstofflichen bis zum handfest Grobstofflichen reicht.
Das erste, völlig gestaltlose und nur durch seine Wirkungen wahrnehmbare Feuerelement liefert die Energie, die alles mühelos durchdringt und belebt. Hinzu kommt das Luftelement, das dem Feuer die Richtung weist und die Zeit einteilt, damit es Entwicklung geben kann. Das kreative Wasserelement schafft immer neue Kombinationen von Einzelteilen, die schließlich vom Erdelement zu sichtbarer Form gebracht werden.
Als die Tarotkarten vor 500 Jahren zum allgegenwärtigen Zeitvertreib an Europas Spieltischen wurden, bot es sich an, einige der vertraulichen Hinweise auf das verborgene Wissen der Tarot-Meister unbemerkt mit den Regeln des Spiels zu verbinden. Zum Beispiel diese:
Die Rangordnung der 4 Farben im Tarotspiel:
Stäbe > Schwerter > Kelche > Münzen
Die Grundregel zum Spielen mit den 78 Karten besagt: Schwerter stechen Kelche, diese besiegen die Münzen, und die Stäbe überwältigen alle zusammen. Diese elementare Rangfolge hat sich bis heute nicht verändert. Wer würde dahinter das Tor zu einer philosophischen Botschaft vermuten?
Wie zufällig ist das Feuer, das durch den stärksten Kartensatz der Stäbe vertreten wird, das mächtigste der Vier Elemente. Und die absteigende Rangfolge der vier ‘Farben’ entspricht genau der Reihenfolge der Elemente, wie Platon sie einst festgelegt hatte:
4 Symbole | 4 Elemente
Jedes Symbol steht für ein Element

Den Hinweis auf die platonische Elemente-Reihe hatten die Kartenmacher der Renaissance auf arabischen Vorläufern des Tarotspiels entdeckt. Und tatsächlich waren es arabische Wissenschaftler gewesen, die die antike Natur- und Elementelehre in geheimen Zirkeln bewahrt hatten, nachdem sie von der katholischen Kirche als heidnischer Unfug abgetan und dem Vergessen anheim gegeben werden sollte.
Die im Abendland unterdrückte platonische Lehre von vier elementaren Kräften hinter den Kulissen der sichtbaren Welt war in einigen christlichen Klöstern, doch vor allem von arabischen Wissenschaftlern das ganze Mittelalter hindurch bewahrt worden. Als im 14. Jahrhundert die ersten arabischen Spielkarten nach Europa eingeführt wurden, bemerkten Künstler und Gelehrte darauf die Symbolik der Vier Elemente.
Der Kartensatz der Säbel stand für das Wirbeln der Lüfte, Pokale vertraten das Wasserelement, Münzen die Erdscheibe und – typisch für das begeisterte Reitervolk der Araber – drückte ein Satz mit Poloschlägern die plötzliche explosive Energie des Feuerelementes aus. | ![]() Mamlukken-Karte mit stilisierten Säbeln, Vorbild für den Satz der Schwerter |
Das 2. Geheimnis
Die platonische Reihe wird gefaltet
Platon erklärte, daß innerhalb der Vier Elemente ein Vorgang schrittweiser Verdichtung vom Feinstofflichen zum Grobstofflichen stattfindet. Aus dem unsichtbaren Feuerelement entfaltet sich unsere dreidimensionale Wirklichkeit, die vom Erdelement regiert wird. Die Brücke vom Unsichtbaren zum Konkreten schlagen die beiden Elemente Luft und Wasser.
M Ö G L I C H K E I T
(unsichtbar)
W I R K L I C H K E I T
(wahrnehmbar)
Platon sprach dabei von einer ’natürlichen Magie‘. Aus etwas Unsichtbarem entsteht etwas Greifbares. Nachfolgende Generationen von Philosophen, Ärzten und Alchimisten haben Platons Ideen weitergesponnen und zu vielfältigen Anwendungen gebracht.
Im Zuge dieser Entwicklung erdachte man eine neue Anordnung der Elemente, die deren Anwendung revolutionieren sollte:


Die Vier Elemente in quadratischer Anordnung auf einer italienischen Tarotkarte von ca. 1500
Collection Ecole de Beaux Arts, Paris


Kalkulationsmodell der Vier Elemente auf der Dissertation des Mathematikers und Philosophen G.W. Leibniz, 1666
Das Rätsel der 4 Figuren auf der Trumpfkarte XXI
Blick ins Buch:
Das 3. Geheimnis
Gegenüberstellung
Das magische Elemente-Quadrat ist ein Produkt der Hermetik. Alles im hermetischen Denken ist in Gegensätzen gefaßt: Oben und unten, innen und außen, schnell und langsam, gebunden und frei …
Das Besondere am hermeitschen Denken: Gegensätzlichen Eigenschaften werden als zusammengehörig empfunden, sie gehen nach Ansicht der Naturphilosophen aus einer ursprünglichen Einheit hervor.
So besteht auch unser magisches Elemente-Quadrat aus lauter komplementären Gegensatz-Paaren, die dann alle gemeinsam – und hier kommt der magische Charakter zur Geltung – ein organisch verwobenes größeres Ganzes bilden.
Das beste Beispiel dafür ist die Brechung des Lichtes in seine Komplementärfarben Rot-Grün und Blau-Gelb. Zusammen ‘addiert’ ergeben die gegensätzlichen Grundfarben wieder reines Weiß. Der Zerfall der Einheit in gegensätzliche Einzelheiten, das Spiel von Auseinandertreten und Zusammenfinden wurde zum Grundgedanken der hermetischen Naturphilosophie.

Die Aufnahme unten zeigt das Farbspektrum, das entsteht, wenn Sonnenlicht durch ein Prisma gebrochen wird.
Das Sonnenlicht, das uns zunächst als undifferenzierte ‘weiße’ Helligkeit erscheint, zerfällt in einzelne Regenbogenfarben.
Dabei entsteht eine bemerkenswerte Ordnung:

Wir erkennen eine Teilung in zwei kalte Farben links (Blau + Grün) und zwei warme Farben rechts (Rot + Gelb).
In gleicher Weise wie im Regenbogen können wir die vier den Elemente zugeordneten Farben ins magische Quadrat einsetzen.

Die Elementelehre nennt die Elemente Feuer 1 und Luft 2 ‘warm’,
weil sie aufsteigen, Wasser 3 und Erde 4 dagegen ‘kalt’ , weil sie sinken.
Die nach oben und unten zeigenden Spitzen der Dreieck-Symbole verdeutlichen dies.
Auch dieser Kupferstich aus der Blütezeit des Original-Tarotspiels ist in Gegensätze geteilt: Phlegmatisch steht sanguin gegenüber, cholerisch neben melancholisch. Zwei nach oben und unten fliegende Vögel drücken alchimistische Sublimation und Kondensation aus. Die Figur im Zentrum ist in zwei Hälften gespalten – eine weiblich und eine männlich, die aber auf eigentümliche Weise ein Ganzes bilden.
Der Titel der Darstellung lautet ‘Fünftes Element’ (Quinta Essentia). Zwar sind nur vier Quadranten zu sehen; doch wie die vier Farben durch Brechung aus weißem Licht entstehen, so behauptet der Künstler auch hier ein fünftes Element – den Lichtäther – als unsichtbare Quelle von allem. Könnten all die in den vier Quadranten dargestellten gegensätzlichen Einzelaspekte miteinander verbunden werden, würden sie die gemeinsame fünfte Dimension hervorbringen. Damit zeigt diese recht schematisch wirkende Darstellung dem geschulten Auge etwas von der geheimen spirituellen Leidenschaft jener Epoche: Dem verborgenen Ursprung allen Seins durch komplementäres Denken auf die Spur zu kommen.

J. Thurneysser Quinta Essentia 1574
Komplementarität reicht also über die Beziehung der Farben weit hinaus.
Der außerordentlich praktische Nutzen der Anordnung in Gegensätzen wird sofort deutlich beim Kartenlegen. Hier informiert uns die Unterteilung des magischen Quadrates in einen warmen inneren und einen kalten äußeren Bereich, ob ein Problem ‘vor Ort’ gelöst werden kann, oder ob es in der Gefühls- und Vorstellungswelt entstanden ist und zunächst dort behandelt werden sollte.

Wasser 3 und Erde 4 leben im ‘kalten’ äußeren Bereich. Hier findet unsere Kommunikation mit der Umwelt statt 3 und hier entsteht die materielle Wirklichkeit 4. | Die beiden warmen Elemente Feuer 1 und Luft 2 bilden den inneren Bereich der Elemente-Matrix. Niemand kann von außen in unsere Gedanken 2 und Gefühlswelt 1 hineinschauen. |
Beispiel:
Bei der Untersuchung einer Situation mit Tarotkarten würde eine Karte der Kelche (Wasserelement, kalt) unsere Aufmerksamkeit auf Kommunikation und Zusammenarbeit richten. Eine Karte aus dem Satz der Schwerter führt uns ins Reich des Luftelementes (warm), also des Denkens und der Vorstellungen – beispielsweise die Planung eines Vorhabens:

Wir brauchen beim Kartenlegen lediglich von den allgemeinen Funktionen der Elemente auf spezielle, auf die Fragestellung zugeschnittene Formulierungen zu schließen. Im Beispiel oben:
Schwerter > Luft > Denken > Vorstellung > Pläne
Der Rahmen dafür wird gewöhnlich schon vom Thema der Sitzung vorgegeben, sodaß uns zum Thema ‘Liebeskummer’ wahrscheinlich andere Aussagen einfallen, als zum Aufbau einer neuen Firma. Je mehr Funktionen der Elemente wir kennenlernen, desto genauere Aussagen werden möglich.
Beispiele für komplementäre Gegenüberstellung in der Praxis
Vergleiche die einander gegenüberstehenden Begriffe rechts und links:
ERDE
4
GEWOHNHEIT
Wiederholung
Routine bis Tretmühle
ARBEIT
ERSCHEINUNG
Körper.
GIER
Alles an sich ziehen.
FEUER
1
SPONTANEITÄT
Bereitschaft für Neues
bis Unberechenbarkeit
LEBENSFREUDE
AUSSTRAHLUNG
Charakter
AUSSTRAHLUNG
Charakter
LUST
Durch das einfache und präzise Regelwerk der Vier-Elemente-Lehre wird jede Zuordnung von Funktionen zu einem Element überprüfbar. Nehmen wir die Unterscheidung von GIER und LUST. Lustgefühle sind eine mächtige Triebkraft, sie können spontan aufwallen. Man ‘brennt’ für etwas im Augenblick. Das unbändige Gefühl der Lust überwältigt den Verstand und ignoriert gern die realen Möglichkeiten – dies alles sind Eigenschaften des heftigen Feuerelementes. Wo Lustlosigkeit herrscht, fehlt der Antrieb.
Gier dagegen gehört zum Erdelement, weil Erde unendlich an sich binden will und muß (sonst würden wir alle ins Weltall hinausfliegen). Je größer die materielle Masse wird, desto stärker wirkt diese Anziehungskraft auf das gesamte Umfeld. Manch einer fragt sich, warum die Reichen und Besitzenden ‘den Hals nicht vollkriegen’, selbst wenn sie mehr als genug haben. Dabei gehorchen Geld und Besitztum lediglich dem Gesetz der Massenanziehung und Akkumulation, wenn sie nicht von außerordentlich weisen Händen und komplementär geschulten Herzen verwaltet werden. Fürs (ungebremste) Erdelement kann es nie genug sein, solange es noch irgend etwas zu bekommen gibt.
Jedes Element generiert seine speziellen Verhältnisse und Verhaltensweisen – auf unterschiedlichen Erscheinungsebenen, aber immer auf gleiche Weise.
Der Vorteil des Elemente-Codes bei der Interpretation der Tarotkarten: Alle assoziativ vorstellbaren Möglichkeiten, die nicht wirklich zum Element passen, scheiden als Bedeutung für eine Karte mit diesem Element aus.
So kann die Liebe, die heute noch viele Kartenleger mit dem Element Wasser und dem Satz der Kelche verbinden, als Gefühl nur im Reich des Feuers existieren; im Wasserelement lebt das Streben nach harmonisch-kreativem Zusammenspiel. Diese Unterscheidung kann bei der Frage nach einer neue entstehenden Beziehung zwischen zwei Menschen von unschätzbarem Wert sein: Genießen sie einen gelassenen, fruchtbaren Austausch 3 c , oder verknallen sie sich ineinander 1 w ?
Da jede Tarotkarte auf die eine oder andere Weise mit einem der Vier Elemente verbunden sind, können wir ihre ursprüngliche Bedeutung klar unterscheiden von neu erdachten Interpretationen, die nicht vom elementaren hermetischen Wissen der alten Tarot-Meister inspiriert sind. (Dazu später noch viel mehr.)
Ein besonderer Vorteil des magischen Quadrates ist die Übertragbarkeit der Elemente-Eigenschaften auf verschiedenste Lebens- und Untersuchungsbereiche. Die gleichen Funktionen der Elemente können zur charakterlichen Beschreibung einer Person wie auch zum Verständnis einer Maßnahme am Arbeitsplatz genutzt werden.
Warum kann uns keines der modernisierten Spiele
den Geheimnissen der Renaissance-Tarot-Meister nahebringen ?
Intuition & Irrfahrten
in der zeitgenössischen Tarot-Literatur
Als die ersten Autoren sich an der Interpretation der Tarotkarten versuchten, war das ursprüngliche Wissen und seine hermetischen Bausteine schon durch mehrere Jahrhunderte von ‘Aufklärung’ und ‘Rationalismus’ verschüttet worden.
Da die ausgefeilten Codier-Verfahren der Renaissance nicht mehr zur Verfügung standen, setzte man sich neue Hilfsgrößen wie den kabbalistischen Lebensbaum, die astrologischen Häuser und Planeten, sogar Runen und Hieroglyphen zur Erklärung der Karten.
Was einst den risikoreichen spirituellen Lebensinhalt einer kleinen europäischen Elitekultur ausmachte, wurde zum illustren Spiel für jeden der sich traute, zur Feder zu greifen. In der so geschaffenen schummerigen Atmosphäre zwischen ahngsvollem Raunen und hemdsärmeliger Allwissenheit zog das Publikum gern in jede neu erdachte Richtung mit. Die Namen von Levi, Waite und Crowley erhielten transzendente Aureolen, wobei niemand je den tatsächlichen Gebrauchswert ihrer Werke in Frage stellte.
Dabei ist es nicht so, daß man sich um Spiritualität nicht gekümmert hätte. 1854-56 schrieb in Paris Alphonse Luis Constant unter dem Pseudonym Eliphas Levi (von vielen als geistiger Ziehvater der nachfolgenden okkultistischen Bewegung angesehen) sein aufsehenderregendes Buch Dogma und Ritual der Hohen Magie, in welchem er ausführlich auf das Tarotspiel als “Schlüssel der alten, religiösen Dogmen, der Kabbla und der Bibel und der Clavicula Salomonis” zu sprechen kam. Nach aufreibenden Jahren als katholischer Rebell und frühsozialistischer Wortführer, wofür er mehrmals ins Gefängnis gesperrt worden war, erschuf sich Constant in der zweiten Lebenshälfte sein eigenes, uneinnehmbares Reich romantischer Höhenflüge mit einer Flut angeblichen Insiderwissens aus der Welt der Hoherister und Dämonen. Der Tarot entstand nach dem Fall Jerusalems im ersten nachchristlichen Jahrhundert, wußte er in geschraubten Sätzen zu berichten. Und ihm, Eliphas Levi, sei der Schlüssel zugefallen:
“Diese Clavicula oder den kleinen Schlüssel, den man seit Jahrhunderten verloren glaubte, haben wir wiedergefunden, konnten alle Gräber der Welt öffnen, die Toten sprechen lassen, in all ihrem Glanz die großen Denkmale der Vergangenheit wiedersehen, die Rätsel aller Sphinxen verstehen und in alle Heiligtümer eintreten.”
Levis ‘kabbalistische’ These, die 22 Trümpfe des Spiels mit den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets zu verknüpfen, war eigentlich schon zu seiner Zeit unhaltbar, wenn sich jemand die Mühe gemacht hätte, die tatsächlichen Entsprechungen der Buchstaben zu überprüfen. Nachdem er so das Original unlesebar gemacht hat, konnte er überzeugt verkünden:
“(…) Es wäre sehr wünschenswert, daß man den Tarot in Anbetracht seiner so überragenden wissenschaftlichen Bedeutung nicht mehr verfälschte.“
(Von mir ausgewählt und vom Original übersetzt. Deutsche Ausgabe: Dogma und Ritual der hohen Magie, Edition Geheimes Wissen, 2008)
Wissenswert im Hinblick auf die folgende Entwicklung der Tarot-Geschichte ist der Umstand, daß Constant zeit seines Lebens sozialreformerischen Ideen anhing. Doch hatte die gescheiterte Revolution von 1848 ihn am Talent “der Masse” zweifeln lassen, eine harmonische gesellschaftliche Ordnung zu schaffen. Gestützt auf seine okkultitischen Eingebungen baute er (wikipedia.de:) “seit den 1860er Jahren weiter seine Idee einer Elite von Eingeweihten oder „Weisen“ aus, die das Volk zur finalen Emanzipation leiten würden.”
Den Gedanken der eingeweihten Elite nahm in England Aleister Crowley auf, der sich – im Todesjahr Constants 1875 geboren – als direkte Reinkarnation Eliphas Levis fühlte. Sein Kartenspiel wartete mit kraftvollen, völlig unerwarteten Bildern, neuen Namen und Bedeutungen auf, die mit dem Original nichts mehr gemein hatten. Crowley war durch Erbschaft wohlhabend und über den Orden der Goldenen Morgenröte (Golden Dawn) mit einflußreichen Leuten aus Londons Oberschicht verbunden. Insofern war er im Elitedenken bestens geschult. Für ihn war die Herrschaft der Starken über die Schwachen keine ethische Angelenheit, sondern eine biologische Notwendigkeit. Die Natur selbst verfahre so und sentimentaler Humanismus verfälsche nur ihren Willen. Seit dem Sieg des Christentums hätten die “Untauglichen” begonnen, die “Tauglichen” zu verderben. Dem setzte er sein spezielles System okkulter und sexualmagischer Rituale entgegen, das er Thelema taufte, was auf Griechisch Wille bedeutet. Briefe an Freunde endeten mit der Formel: “Liebe unter dem Willen”. Lieben in Kombination mit Wollen hatte schon Krichenvater Augustinus gepredigt (Kommentare zum Galater- und 1. Johannesbrief um 400 n.Chr.) – allerdings in umgekehrter Reihenfolge: “Liebe – und dann tue was Du willst.”
Crowley sah im nachrevolutionären Rußland das erste erfolgreiche Unterfangen rigoroser Ausrottung aller religiösen Bestrebungen und wollte den Sowjets ein Projekt zu Volkserziehung anbieten, in welchem er selbst als “geistiger Erlöser des Russischen Volkes” dessen “krankhaftem Bedürfnis” durch seine “dem Wesen nach orgiastische” Riten ersetzen würde. Doch Stalin wurde nie kontaktiert, das Projekt blieb Vision. Später sah Aleister Crowley in Hitler einen möglichen Vollstecker seines Herrenmenschen-Ideals. Zu seiner Karte XX The Aeon (Weltzeitalter) schrieb er 1944, ein Jahr vor Kriegsende, in seinem Buch über den ägyptischen (!) Tarot: “Die Geburtsstunde eines neuen Zeitalters wird angekündigt durch große Konzentration von politischer Macht.” Doch mit seinen magischen Experimenten konnte er keinen Einfluß mehr auf die Geschichte nehmen, denn bald darauf beschloß Aleister Crowley sein Leben der Orgien, des sexuellen Mißbrauchs und der Opiate. Er “hinterließ auf seinem Weg eine Spur von seelisch zerstörten, mißhandleten Frauen.”
Mit der Geisteshaltung, die einst die Schöpfer des Renaissance-Tarot inspirierte, hat das alles längst nichts mehr zu tun, auch wenn Crowleys Kartenspiel als der sogenannte ‘Crowley-Tarot’ in vielen nachgeschobenen Büchern als Einweihungsweg gepriesen wird.
(Zitate auf Seiten 106, 167, 252 von Aleister Crowley und die Versuchung der Politik, Marco Pasi, Graz 2006)
Frei von gesellschaftlichen Idealvorstellungen schien der dritte einflußreiche Autor und Kartenschöpfer Arthur Edgar Waite, der zeitweilig eine konkurrierende Linie des Golden Dawn anführte. Waite erdachte auf Grundlagen seines einstigen Orden-Gründers Samuel Mathers ein weiteres neuartiges Tarotspiel, das er zur besseren Wirksamkeit von der aufstrebenden jungen Künstlerin Pamela Colman-Smith in der damals hochmodernen Jugendstil-Manier malen ließ. Waite’s & Smith’s Kartenspiel wird seit über hundert Jahren aufgelegt und viele halten es für den inspirierten Tarot überhaupt.
Am 19 November 1909 schrieb Pamela Colman-Smith an ihren Galeristen Stieglitz nach New York:
« Ich habe eben eine große Arbeit für äußerst wenig Geld fertiggestellt. Einen Satz Designs für 80 Tarotarten (…) Ich schicke Ihnen ein Deck, sobald sie fertig gedruckt sind (wahrscheinlich in armseliger Qualität).»
Besonders gut zu sprechen auf ihren Auftraggeber schien die Malerin nicht gewesen zu sein. So hat sie auch nicht nur wenig Geld erhalten; in der Erstausgabe tauchte nicht einmal ihr Name auf. Als habe der Verleger Rider den Anschein erzeugen wollen, Herr Waite hätte allein ein großes Werk voll Inspiration und Tiefe hervorgebracht. Zur besseren Veranschaulichung der Entstehungsgeschichte lasse ich einen erfolgreichen Karten-Schöpfer unserer Tage, Robert M. Place zu Wort kommen. Da er selbst viele Tarot Decks entworfen hat (Vampire Tarot), ist er mit der Produktion und dem Aufwand bestens vertraut. Aus seiner Erfahrung heraus urteilt er:
“Viele Leute gehen davon aus, daß Waite jeden Aspekt des Waite-Smith-Tarots überwachte und selbst kleinste Details seinem Schiedsspruch unterwarf. (…) Doch angesichts der kurzen Zeit, in der das Deck erstellt wurde, wäre es für Waite so gut wie unmöglich gewesen, seinen Einfluß bei allen 78 Karten geltend zu machen und Pamela Smith während der Monate, in denen sie arbeitete, jeden Tag die Schulter zu schauen.
Pamela hatte als Künstlerin die Gabe, in Trance fertige Bilder vor dem geistigen Auge erscheinen zu lassen und diese rasch in Zeichnungen zu übertragen. Danach wurden sie koloriert. Auf solche Weise entstandene Kunst kann nicht nachträglich noch bearbeitet werden. Wenn Waite Änderungen wünschte, sobald ein Entwurf abgeschlossen war, hätte Smith das gesamte Stück neu erstellen müssen. Angesichts der kurzen Zeit, in der die Arbeit abgeschlossen wurde, kann das nicht oft passiert sein.”
(Von mir übersetzt und zusammengefaßt aus: Tarot History, Symbolism, and Divination Robert M. Place)
Waite unterwarf die Anordnung der 22 Trümpfe der astrologischen Zeichen-Folge. Dafür mußte er die ursprünglichen Plätze der Justitia und der Kraft (La Force) vertauschen, damit er Justitia dem Zeichen Waage und die Kraft dem Zeichen Löwe zuordnen konnte. Die ursprüngliche Ordnung wurde bedenkenlos verzerrt und das raffinierte Original-System mit seiner wichtigen Korrespondenz von Gegenkarten und numerologischen Entsprechungen damit letztlich zerstört.
Die nächste willkürliche Veränderung legte Waite in seinem Pictoral Key to the Tarot dar: Den Narren – die erste Karte der ursprünglichen Anordnung – verschob er in die vorletzte Position vor der Karte Die Welt, wie Levi es schon vorgeschlagen hatte, damit die Karte dem hebräischen Buchstaben shin entspräche, was sich später als völlig unhaltbar erwies, aber von vielen Autoren weiter ‘tradiert’ wird.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß mindestens 56 Karten von Pamela Coleman-Smith als Künstlerin und zeitweiligem Mitglied von Waites Abspaltung des Golden Dawn frei erfunden worden sind. Es gab auch keinerlei historische Referenz, da die Hof- und Kleinen Karten des Tarot eigentlich zum Kartenspielen gemacht waren und das geheime Wissen nur auf der Karte XXI und den übrigen Trümpfen verschlüsselt war.
Während die Malerin der allerorts unter dem Namen Rider-Waite bekannten Karten vereinsamt, krank und mittellos starb, trug die außerordentliche visuelle Attraktivität ihrer Designs dazu bei, Abertausende von Käufern die verfälschenden Scharaden Waites ungeprüft als Wahrheit über den Tarot hinnehmen zu lassen. Dies hat sich bis heute nicht geändert.
Schopenhauer, Philosoph des 19. Jahrhunderts, hat eindrücklich beschrieben, wie solcherart Scheinwissen etabliert wird:



raffiniert verborgen

Die Kunst der Anordnung

Das Spiel mit Gegensätzen

Information zusammensetzen
Das Geheimnis der Faltung

